Das müssen Verrückte sein…

… dachte ich zu meinen Anfangszeiten in Kathmandu, als ich Ausländer wie mich mit dem Fahrrad durch Kathmandus Strassen radeln sah.

Nicht der normale Nepalese mit seiner – jetzt fahre ich mal los Mentalität wird schon werden – sondern explizit solche wie mich.

Nun ist es aber so, dass irgendwann immer mal irgendwer streikt. Sei es die Taxler, die ihre schönen zum Teil verhangenen Taxameter 😉 nicht nutzen wollen oder die Busfahrer der städtischen und privaten Genossenschaften, die auch mehr Kohle wollen. Oder im ganz extremen Fall, wie am eigenen Leib erfahren, wenn eine Grenzblockade nichts ins Land lässt was Motoren betriebene Fahrzeuge nun mal benötigen.

Irgendwann kommt der Tag, da verlässt du dich auf keinen mehr, denn dann bist du ab und an verlassen.

Also? Ein Rad muss her. Aber eins was Kathmandu Strassen tauglich ist. Tata…

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Eigens ein schönes Mountain Bike, was so gut wie alles mitmacht, konnte ich erwerben um nun auch eine der Verrückten zu sein.

Und das braucht man bei solchen Verhältnissen ab und an. Sei es

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Ein Loch in der Strasse, in dem anstandslos fast mein ganzes Fahrrad verschwinden würde. Oder…

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im Extremfall, solch eine Nebenstrasse, die nach einem Monsun Schauer dem Boden eines reisenden Flusses ähnelt. Oder aber…

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einem heraus gerissenen Verkehrs Schildes (eins von vielleicht 50 in ganz Kathmandu, wer weiß das schon), dessen Reste, hier nicht so gut einsehbar, eine Höhe von 20 cm sicher nicht unterschreiten. Wenn man da drüber hoppelt nutzt das beste Mountain Bike nichts.

Dem ganzen die Krone aufgesetzt, sollte man nicht nur einen guten Helm tragen (natürlich sieht man fast nur Ausländer mit Helm) sondern auch eine gute Atemschutzmaske. Denn!!! fährt man hinter einem etwas älteren Bus macht es sich nicht so gut, wenn schwarz stinkende Abgase einem die Sinne/Lungen vernebeln.

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So ausgestattet, könnte man dann gut und gerne gleich auf dem Weg noch eine Bank überfallen und keiner sieht so richtig wer der Räuber denn nun war. 😉 Aber wir sind ja anständig.

Kommen wir zu den „normalen“ Fahrstrecken.

Das erste Mal ist, wie bei vielen Dingen im Leben, nicht so wie man sich das eigentlich vorgestellt hat. Es ist etwas komplizierter. Aber fördert den inneren Kick sowie sorgt für Erfolgserlebnisse, wenn man ankommt.

Langsam fahren, gab Shriman mir als Parole auf meinem ersten Trip, mit auf den Weg. Gut langsam ging es auch erst, was jedoch daran lag, dass ich eine immense Steigung erobern musste. Logo im Land des Himalaya, da gibt’s auch ab und an in Kathmandu Bergchen. 🙂

Jeder weitere Meter verschaffte mir jedoch das nötige Selbstbewusstsein, was man hier unbedingt braucht im Strassenverkehr. Dabei ist es egal ob als Fussgänger, Radler, Motorradfahrer oder Autofahrer.

Die Verkehrsregeln:

Nun ja, erschlossen haben diese sich bis heute noch nicht bei mir. Man muss fühlen, erahnen und sich an eine Kreuzung langsam heran tasten. Anfangs per Fuss mit dem Rad an der Hand, danach auf dem Rad. Gleichrangige Strassen scheint es auch hier zu geben, was ich nach paar Tagen gemerkt habe. Nur hier ist halt links vor rechts und nichts rechts vor links. Aber! Ist man in Deutschland auf einer Hauptstrasse sieht man das am Verkehrsschild, ist keins an einer Kreuzung ist es eine gleichrangige Strasse. Nur hier im Staate gibt es, wie bereits erwähnt kaum/keine Schilder. Das macht die Sache nicht gerade einfacher.

Der Linksverkehr:

Anfangs etwas ungewohnt, aber schnell verinnerlicht bei normalen Situationen. Links abbiegen fetzt, rechts abbiegen ist doof. Aber wehe!!! man fährt durch eine kleinere Gasse mit vielen Fußgängern, Hunden und auch schon mal Kühen, dann sollten man nie – und ich meine wirklich NIE – den Fehler machen Mensch, Hund und Kuh rechts zu umfahren. Denn wenn Gegenverkehr kommt und der kommt garantiert, weiß der nicht das ich Würstchen eine Europäerin bin und im Extremfall gewohnheitsmässig rechts ansteuere. Der Gegenverkehr sieht sich dann gezwungen entweder mich als Trophäe auf die Kühlerhaube zu bugsieren oder aber um Mensch zu retten, Kuh Hund und anderes auf der linken Seite zu massakrieren. Das muss ich noch üben 😉

Das Hupen:

Wie sicher schon oft geschrieben ist des Nepalesen liebstes Teil die Hupe und wie ich jetzt am eigenen Leib erfahre, auch die Bremse. Mein Rad hat keine Hupe, mein Rad hat eine wohlklingende Fahrrad Bimmel. Die auf leeren Nebenstrassen sicher sehr schön klingelt, aber an einem ganz normalen verkehrsreichen Tag nicht mal im Ansatz gehört wird. Was machen? Rufen? Ist mir passiert als heute ein Polizist, der den Anschein erweckte als Anschauungsmodell auf der Strasse zu stehen, anstatt den Verkehr zu beobachten, im Weg stand. Jedenfalls sah ich schon von weiten auf meinem grünen Flitzer wie jener Polizist ein Schwätzchen am Wagenfenster eines parkenden Autos ein Schwätzchen hielt und urplötzlich sich vom Auto abwenden wollte ohne dabei nach hinten zu sehen. Panikartig merkte ich – das schaffst du nie mit bremsen – umfahren ist knifflig in aller Schnelle. Blieb mir nur übrig zu rufen. Deutsch ist meine Muttersprache und in solch einem Extremfall fiel mir kein einziges Wort der englischen, gar nepalesischen Sprache ein. So rief ich….hallo hallo hallo weg da. Nein ich schrie es. Es half. Schnell quetschte er sich wieder ans Autofenster und sicher fegte mein Fahrtwind im sein Hut fasst vom Kopf. Ein paar Meter hinter ihm zum stehen gekommen, blickte ich zu ihm und schenkte ihm einen meiner wütensden Blicke. Am liebsten hätte ich ihm noch den Vogel gezeigt, zog es aber vor von Dannen zu ziehen.

Das Bremsen:

Mein Rad ist, Gott Lob, mit guten Bremsen ausgestattet. Deshalb befindet sich auch permanent eine Hand an der Bremse. Speziell für Ausweich/Brems Manövern vor wahnsinnigen Fussgängern, Hunden, anderen Fahrrädern usw….

Das Parken:

Mein Rad ist toll und natürlich möchte ich es recht lange behalten. Parkplätze für Räder/Radständer sind  gleich Null Komma nichts in Nepal. Da nutzt das beste Schloss nichts, wenn es jeder fort tragen könnte. Auf der Suche nach geeigneten, fest vermauerten Dingen in Wänden, vergeht wertvolle Zeit. Irgendwas findet sich auch irgendwann, aber es dauert. Bei uns um die Ecke ist eins der Bhat Battheni (eine Super Store Kette), aber auch da gibt es nichts für Räder. Klar auch, welcher Idiot fährt in Nepal auch zum Super Store mit Rad. Einmal fand ich ein, für mich geeignetes, Plätzchen gleich neben der Herrentoilette besagten Kaufhauses. Eine kleine Öse in der Wand brachte mir die Möglichkeit mein Flitzer dort anzuschliessen. Zirka 14.32 Uhr verliess ich mein Rad und es stand einsam dort herum. Gegen 14.53 Uhr kam ich wieder raus. Doch was war das? Mein Rad war weg. In der Nase den Geruch der Herrentoilette schaute ich fassungslos auf den Platz an dem 14.32 Uhr mein Rad allein stand. Jetzt jedoch standen da Motorräder und Roller noch und noch. Gnadenlos hatten die Burschen meinen grünen Flitzer zu geparkt. Nie im Leben wäre ich da wieder heran gekommen. Hätte ich versucht einen Roller zu verrücken, wären die anderen Domino artig sicher umgefallen, so eng standen sie. Dem Geruch, den selbst meine gute Atemschutzmaske nicht widerstand, ignorierend geisterte ich in der Umgebung nach Hilfe herum. Die kam in Form eines Security Mannes, der just aus der Quelle des Geruches erschien, und mir deutlich zu verstehen gab das er mir helfen werde. Nach und nach schob er alle Roller weg und siehe da mein grüner Flitzer war wieder meiner. 🙂

Die Fahrtrichtung anzeigen:

Wir in Deutschland sind es gewohnt einen Richtungswechsel per Hand an zu zeigen. Nicht aber in Nepal. Keine Sau. Entschuldigung, kein Radfahrer fuchtelt wild winkend mit seiner Hand, sollte er die Absicht haben ab zu biegen. Man tut es einfach. Also abbiegen. So auch ich, nachdem ich mich sicher einige male zum Vollpfosten gemacht habe und versucht habe den Nepalesen mittels Richtungsanzeige etwas Fahrkultur bei zu bringen. Nicht schlagartig, sondern gemächlich schiebt man sich auf die Strassenseite auf die man möchte. Dabei auf den nachfolgenden Verkehr, der immer da ist (ausser Morgens 5 Uhr 😉 )  per Rückblick zu achten, könnte in Anbetracht der Straßenverhältnisse, mit einer blutigen Nase enden. Darum schön langsam die Änderung der Fahrtrichtung per langsamen, aber stetigen mehr rechts fahren anzeigen. Keine Angst, man erbarmt sich.

Das Fahrvergnügen:

Gibt es das überhaupt, wird manch Leser fragen? Natürlich. Am schönsten ist es Morgens gegen 5 Uhr. Da teile ich mir die Strasse nur mit einigen ganz wenigen Verkehrsteilnehmern. Meist den Milchfahrern, den Hunden und ein paar anderen Verrückten, die so früh wie ich zur Arbeit müssen. Bei mir war es der Weg zum Hotel um Gäste zum Mountainflug ab zu holen. Natürlich habe ich die nicht auf die Stange genommen 🙂 Sondern ich parkte mein Rad am Hotel.

Ansonsten muss man ausnahmslos Selbstbewusstsein an den Tag lesen. Sonst könnte es passieren, dass man am Ende des Tages nicht einen Meter gekommen ist.

Aber ansonsten fetzt Rad fahren in Kathmandu 🙂 und falls mir noch was einfällt, teile ich es selbstverständlich mit. Noch besser, ich habe die Idee meinen Arbeitsweg zu filmen. Da versteh man vielleicht besser. Dies dann allerdings erst nächste Saison, dafür brauche ich eine Kamera die ich am Helm befestigen kann und die steht schon auf meiner Kaufliste.

 

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