Ich bin auf Flugsuche. Wohin wird so in etwa jedem klar sein. Nepal.
Da gab es eine Zeit, kurz danach, da dachte ich nur: raus und in Sicherheit. Die ersten Tage in Deutschland, auf festem Boden (nie waren Worte so wahr) habe ich nicht einen Gedanken daran verschwendet nach Nepal zu fliegen. Dies war schon mal anders als die Jahre davor.
Dann kam der normale Wahnsinn. 6 Tage Arbeitswoche, unsere Koordinierung der Hilfe in Nepal, Mails von unseren Gästen beantworten usw…… Meine Angstgefühle jemals wieder nepalesischen Boden betreten zu „müssen“ rückten ganz weit weg.
Danach war die Zeit, in der mir bewusst wurde: ja wir „müssen“ wieder hin. Freunde und Familie lebt dort, Menschen die uns nahe stehen und denen wir weitere Hilfe zugesagt haben und verdammt nochmal:
Wir haben 3 Jahre hart daran gearbeitet, an unserer Agentur. Wir haben hier neben unseren Jobs an der Homepage gefeilt, haben Werbung gemacht, Vorträge gehalten, Dank meiner unterbrochenen Jobs habe ich meine Rente, man kann sagen, in die Esse geschmissen. Denn viel wird nicht rum kommen, wenn es mal so weit ist. Kurz und gut, wir haben uns den Ar…..aufgerissen. Die neue Saison im Herbst lief so gut an, bis dieses Erdbeben drohte die ganze harte Arbeit zu Nichte zu machen.
Zum Teufel, dachte ich, ich gebe nicht klein bei. Aber ganz hinten im Kopf…….beben, beben, beben…..
Die Zeit lief weiter. Gerade in einschlägigen Nepal Foren und in den sozialen Netzwerken (man „kennt“ sich ja irgendwie und von vielen weiß man wer es ist), konnte man lesen: Der Tourismus in Nepal muss weiter gehen. Fliegt nach Nepal, geht in die Berge.
Klar auch meine Meinung, zu mindestens in dieser Zeit öffentlich. Wie es in meinem Innersten aussah teilte ich keinem mit. Ab und an hatte ich sogar das Gefühl, sollte ich die Leute zur Besonnenheit aufrufen, ich werde eventuell gekreuzigt. Außerdem wie sieht das denn aus: hat eine Trekking Agentur in Nepal und hat Angst hin zufliegen?
Wir enthielten uns, jedenfalls im Internet, jeglicher Meinung. Wir wollten abwarten wie die weitere Situation (Nachbeben, Erdrutsche) entwickelt. Scheiss auf die folgende Saison, Sicherheit ist wichtiger. Ab und an kotzte es mich an immer wieder zu lesen: Nepal ist sicher, keine Angst, viele Regionen sind begehbar usw. Natürlich auch von Nepalesen die im Tourismus arbeiten. Wobei ich da gar nichts dagegen habe, würde ich ja auch machen, wenn ich nur die Möglichkeit hätte vom Tourismus zu leben. Die anderen, die nahezu täglich „Durchhalte und Reise Parolen ausriefen, waren meist jene die Agenturen dort haben, oder von hier Reisen nach Nepal kommerziell anbieten.
Ehrlich gesagt, ich fand es teils widerlich. Bis ich heraus fand, es waren jene die während des Bebens nicht in Nepal waren. Ich kenne einige, auch aus der Reisebranche die dort waren und das Erdbeben erlebt haben, die waren Mucks Mäuschen still. So wie wir.
Mit unseren Gästen, die bei uns im Herbst gebucht haben, standen wir in regen Kontakt und hatten uns ausgemacht die Lage noch ab zu warten. Es geht nicht nur um die Sicherheit der Gäste, sondern auch um die unserer Mitarbeiter. Ich weiss, sie haben/hatten auch ein ungutes Gefühl.
Auch wenn ich genau weiß, hätte ich zu A gesagt: morgen kommen Gäste, bitte gehe mit ihnen das Trekking X, sie hätten es sofort gemacht. Schon allein weil sie auf die Einnahmen angewiesen sind. Dabei haben auch sie Familie. Passiert was, was ist dann? Die meisten Deutschen haben eine Lebens Versicherung und die Angehörigen bekommen oft viel Geld, wenn was passiert.
Unsere Mitarbeiter haben nur die Versicherung die wir für sie abschliessen und da bekommt man nicht viel in Nepal. In einem Todesfall wären das an die 20’000 Euro. Wie weit kommt aber eine Familie, die dann ohne Ernährer ist mit 20000 Euro in Nepal? Sicher weiter als hier in Deutschland, aber reichen würde es nie. In Nepal versorgt ein Arbeiter nicht nur Frau und Kinder, sondern auch noch Eltern, Geschwister (wenn sie jünger sind) und Nichten, Onkel, Tanten usw, wenn jene kein Einkommen haben. (Und das haben viele nicht) Unsere Mitarbeiter haben meist kleine Kinder deren Ausbildung allein schon sehr viel kosten würde.
Die Tage an denen ich täglich an den 25.4. dachte, wurden weniger. Aber immer noch war und ist im Hinterkopf das Denken um das Geschehene und auch das Denken darüber, was wird, wenn es wieder so wird. Dabei ist statistisch das nächste große Erdbeben erst in 80 Jahren wieder dran. Da bin ich sicher, schon tot. Aber hält sich jene Statistik auch daran?
Klar las ich in den letzten Wochen viele Berichte, gerade von Seismologen. Und Fakt ist, keiner kann sagen wann es wieder so weit ist. Doch die Chance so kurz nach einander im Leben zwei mal dieses Pech zu haben, sollte doch gering sein? Dies ist meine Erkenntnis, mit der ich sicher auch mein Innerstes beruhigen will. Wenn ich daran denke, dass wir höchstwahrscheinlich wieder mit TK fliegen werden und in Istanbul zwischen landen, kommt man da schon ins grübeln. Istanbul ist hoch Erdbeben gefährdet und Experten sagen schon seit Jahren ein Großes voraus.
Die Erde bebte in Nepal Wochenlang noch täglich, sogar mehrmals an einem Tag. Dabei waren es immer 4 bis 5′ er auf der Skala. Nachbeben die so sein müssen. Ich wage nicht daran zu denken wie es den Leuten dort dabei ging. Seit ein paar Tagen beruhigt es sich. Ganze 4 Tage war Ruhe, was ein gutes Zeichen ist. Doch ich gehe mal davon aus, in den 3 Monaten die wir dort wird das eine oder andere kleine Beben noch mal kommen.
Wie verhalten wir beide uns dann? Mit nepalesischen Freunden, die wir hier kennen gelernt haben, flaxen wir schon darüber: sicher werden die Nepalis weiter Karten spielen, oder essen wenn es kurz ruckelt. Aber wir beide verlassen möglicherweise fluchtartig das Haus? Man soll nicht Unken, aber ist doch gut wenn man wieder etwas lachen kann.
Jetzt ist die Phase, an der mich meine 6 tage Arbeitswoche anstinkt und ich froh bin wieder weg zu kommen und für uns selbst zu arbeiten. Der Gedanke „Beben“ ist ganz weit hinten in meinem Kopf, aber er ist noch da.
Also mache ich mich an unsere Flugsuche, in der Hoffnung das die Tage nach einem sicher anfangs verkrampften Gefühl, ruhiger und gelassener werden. Und ich wieder mit einem guten Gefühl in Nepal leben kann.
Wie es Shriman geht dabei? So richtig weiß ich das gar nicht. Er hält sich bedeckt, was das angeht, Ich bin mir aber sicher er denkt fast so wie ich.
Kommentar verfassen