Die Sache mit der Pünktlichkeit

Ich weiss nicht ob nur wir Deutsche so penibel, was Pünktlichkeit betrifft, sind. Aber ich weiss das das Wort Pünktlichkeit und ich rede jetzt von – in etwa- sich mit Sicherheit nicht im nepalesischen Wortschatz befindet.
Ich weiss aber auch das man bei Nepalesen die in der Tourismus Branche arbeiten damit rechnen muss: die kommen pünktlich. Denn das ist eins der ersten Dinge die ihnen eingebläut werden.
Shrimans kleinen Bruder haben wir jetzt zum Guide Training geschickt (wir brauchen mehr Unterstützung). Er soll jetzt seine Guide Lizenz machen. Seit 2 Wochen nimmt er daran teil und wie es scheint: das Kapitel mit der Pünktlichkeit – in etwa- war sicher noch nicht auf dem Lehrplan. Und gerade er müsste wissen, dass wir Deutsche, einen weg kriegen, wenn wir warten müssen.

Beispiel A
Gestern Abend war ganz plötzlich mein Gas alle. Ich selbst kann keins kaufen, da man dafür seine Citizen Chip (Personalausweis) braucht. Nun bin ich ja offiziell kein Tourist mehr, aber deshalb bin ich noch lange nicht registrierter nepalesischer Bürger. Was bedeutet: ich kann kein Gas kaufen und somit muss ich am Abend hungern. Es war schon 8 Uhr am Abend und da mir Shriman eingebläut hat im Dunklen ja nicht allein vors Haus zu gehen und ich auch ehrlich gesagt keine Lust dazu hatte, konnte ich mir ohne Gas kein Fresschen zubereiten. Also Anruf beim kleinen Bruder: bla bla bla und so weiter.
Ich komme morgen 12 Uhr und bringe dir eine neue Flasche Gas, versicherte er mir. Ok, hieß jetzt früh auch kein Tee, aber um die Ecke gibt’s alles. In meinem bodenlosen Leichtsinn ließ ich mir noch mal versichern ob er auch kann zu dieser Zeit. Ich wollte gegen 2 Uhr in Boudha sein, da ich dort einen Termin hatte. Die obligatorische halbe Stunde Verspätung mit der ich mich schon abgefunden habe, rechnete ich selbstverständlich mit ein.

So konnte ich früh noch in den Fitnessclub gehen und meine Yoga Stunde plus Cardio Zeit (Yäääää ich muss deutsche Törtchen abtrainieren), bewältigen, um dann Mittag wieder da zu sein. Gesagt getan. Als ich strampelnd auf meiner Matte bemerkte: ups ist ja schon 11 Uhr, rieß ich mich von der Bewegungstherapie los, hüpfte unter die Dusche und rannte schnell heim. Dabei war ich so gut drauf, dass ich sicher noch paar Runden geschafft hätte.

Punkt 12 Uhr war ich Daheim unterwegs schon überlegend: rufst du ihn an und sagst es kann paar Minuten später werden. Ich kleines Schäfchen, was hätte ich mich da zum Löffel gemacht.
Es war 12.30 Uhr, die obligatorische Überziehungszeit war rum. Ich wartete noch mal 15 Minuten, aber dann rief ich an. He wo bist du, es ist schon fast 1 Uhr? Och ja ich komme, ich bin zu Hause.
Mhhhhh, der Gute war also noch nicht mal losgegangen. Leicht, aber deutlich merkbar hob ich meine Stimme und schickte ihn in die Spur. Was mich dabei am meisten nervt ist, dass da kein sorry oder so was kommt. Ist doch normal. Hätte ich nicht angerufen wäre ich sicher schon Klapper dürr, weil ich mir bis dato immer noch nichts kochen konnte. Naja würde den Fitnessclub sparen.
Ganze 2 Stunden später, leicht angesäuert, hatte ich meine neue Gasflasche. Mein Termin war dahin und ich musst anrufen und mich entschuldigen dass ich später kommen würde. Es war schließlich eine Deutsche die wartete. 

Beispiel B
Shrimans kleine Schwester lebt jetzt in Bangalore in Indien, wo sie eine medizinische Ausbildung absolviert. Da ihre Mama und andere Familienmitglieder ab und an gern mal ihr Zuckerschnütchen sehen wollen und die Mama kein PC zu Hause hat, bot ich an sie können bei uns skypen.

Das ist nun nicht so einfach wie in Deutschland. PC an, Skype anmelden, fertig. Nein, hier muss ich warten bis der Staat mir die Ehre erweist, mich mit Strom zu beglücken. So sah ich nach wann samstags Strom ist. Von 1 Uhr bis 3 Uhr (wirklich, kein Witz) ist zu einer normalen Tageszeit Saft in der Leitung. Samstags aus dem Grund, weil die Nichte da keine Schule hat und sie ihre Tante auch sehen möchte.
Ich sagte also: von 1 bis 3 ist Strom, kommt am besten gleich 1 Uhr, damit ihr ausgiebig quasseln könnt.

Es war 1 Uhr, keiner da. Es war 2 Uhr, keiner da. Es war 2.30 und immer noch keiner da. Es war 3 Uhr, der Strom wieder weg, aber immer noch keiner da. Es war 3.30 und es klopfte. Jetzt war jemand da. Pech, der Strom war weg, Dabei habe ich extra noch nach Indien gesimmst. Bitte online kommen. Na ich habe schön mit ihr gesprochen, aber die Hauptpersonen der Familie glänzten mit Abwesenheit.
Auf meine Frage: ja habt ihr mich nicht verstanden? (Kann ja sein), wurde geantwortet: doch doch. Na und? Weil weiter kam da nichts. Ne Ausrede oder so. Schulternicken: ist so. Na gut Mädels euer Bier. Ich hab’s versucht.

Beispiel C

Vielleicht erinnert sich noch jemand an meinen Schulfreund Harit? Wir haben uns über die Jahre nie aus den Augen verloren und standen in Kontakt. Als ich das letzte Mal in Nepal war, war Harit nicht da. Er war für ein Jahr unter den Uno Truppen in den Sudan gegangen. Aber jetzt war er im Lande. Vor kurzen ist er befördert wurden und ist jetzt eine Art Kompanie Chef bei der Special Nepal Police. Das sind jene die sich an den Grenzen betun, VIP’S beaufsichtigen und bei Natur Katastrophen aushelfen. Eine kleine Elite Einheit. Es ist nicht schlecht jemanden in solch einer Position zu kennen. Aber darum geht es mir nicht. Wir beide reden fürchterliches bescheuertes Englisch und amüsieren uns jedes Mal, wenn wir krampfhaft versuchen uns zu unterhalten. Neuerdings ist es ein englische/Nepali Wischwasch.

Jedenfalls rief er an und wir wollten uns am Abend so gegen 5 Uhr treffen. Da er mich am Abend immer Heim bringt, muss ich auch keine Angst haben im Dunklen noch auf der Straße zu sein. 😉
Es war 5 Uhr. Und? Na klar, keiner da. Wieso auch. Aber diesmal machte ich mich nicht zum Vollpfosten und rief an. So gegen 5.30 rief Harit an (wir erinnern uns? Die obligatorische halbe Stunde). Wo bist Du fragte er mich? Na wo schon du Heinz, ich sitze in der Hütte und warte auf dich. Ich formulierte es natürlich höflicher.

Och du bei mir ist was dazwischen gekommen ich bin noch im Büro. Aber in etwa einer halben Stunde bin ich da. Dies ließ ich im Moment als Entschuldigung zu, schließlich hat er einen verantwortungsvollen Posten. Und ausserdem ist es mehr als ungewöhnlich das eine Verspätung angemeldet wird. Bis der Moment kam an dem ich mir wieder dachte: Leute, Leute.
Als er mir verklickerte: dann trinke ich noch meinen Tee gemeinsam mit meinem Kollegen gemütlich fertig und dann komme ich.
Gibt’s noch Fragen?

Ich werde mich mit so was nie abfinden. Ich weiss genaue Zeitangaben wie bei uns in Deutschland hier einzuhalten sind schwierig. Aber was mich anstinkt ist. Keiner macht sich was daraus. Es ist egal. Es ist ebenso. Machen doch alle so. Was solls….
Ke kharne: bedeutet alles in Ruhe, ganz gelassen bleiben und wird schon.
Ich habe wenig ke kharne in mir.
Update: Ich traf mich gestern mit einer Deutschen die ich vom Blog kenne. Sie war damals auch in Nepal und studierte hier. Ihr geht es genau so. Ich hatte den Anschein auch sie nervt es. Man kann also sagen: ich bin nicht penibel.

4 Antworten zu „Die Sache mit der Pünktlichkeit”.

  1. sehr amüsant der artikel! ich denke, kerstin hat recht, du mußt an deiner unpünktlichkeit arbeiten! wird nur schwierig, die dann in deutschland wieder abzulegen… viel glück 🙂

  2. Das ist halt alles relativ. Für die Nepalesen bist du sicher unerträglich penibel 🙂 Aber diesen Effekt kannst du auch in Europa haben: da musst du nur weiter in den Süden ….

    1. Oh ja das stimmt, sicher denken die oft: die hat ja ne Meise 😉

  3. Die einzige Chance, die Du hast, Dich daran zu gewoehnen und selber unpuenktlich werden. Das ist kein Witz, habe ich 7 Jahre in Indien so praktiziert und mich schlicht und einfach irgendwann damit abgefunden. Ansonsten wirst Du verrueckt und laesst nur Nerven.

    Und natuerlich entschuldigt sich keener fuer seine Unpuenktlichkeit, wieso auch? Machen doch alle so, ist doch normal…
    In Nepal bist quasi Du nicht normal, solltest Du Dir immer vor Augen halten…

    LG und viel Spass am an der eigenen Unpuenktlichkeit arbeiten
    Kerstin

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