Paare zusammen gewürfelt aus unterschiedlichen Kulturen haben es nicht leicht. Dies merke ich hier Tag für Tag. Da kann man sich noch so viel Mühe geben, es gibt immer wieder einen Grund zu Diskussionen. Und ich diskutiere gern.
Ich liebe meine Arbeit in der Suppenküche, es ist für mich etwas sinnvolles. Weitaus sinnvolleres, als ich es in meiner Heimat tat.
Dabei komme ich Tag für Tag mit den Randschichten der Gesellschaft zusammen. Die die keiner haben will, die lästig sind und stören. Die dreckig, krank und unwürdig sind.
Auch die meisten Nepalesen, die ich ansonsten als liebevolles, herzliches Volk kenne, laufen achtlos an den Menschen vorbei.
Bedacht sie nicht im Geringsten zu berühren, geschweige denn mit ihnen zu reden. Sicher es gibt auch Ausnahmen, nur denke ich, viele sind es nicht.
Das hat mich erst entsetzt.
Doch mal ehrlich, machen wir das bei uns in Deutschland, oder den anderen reichen Staaten nicht auch? Mich eingeschlossen.
Die meisten Nepalesen haben mit sich selbst zu tun, haben selber darum zu kämpfen irgendwie über die Runden zu kommen. Es gibt auch eine sehr wohlhabende Schicht in Nepal und ich meine damit wirklich reiche Menschen. Allerdings sind das die wenigsten
Was ich meine,in Deutschland laufe ich achtlos an Bettlern vorbei, weil ich weiß, wenn sie wollen wird ihnen geholfen. Sie müssen nicht hungern, sie bekommen ein Dach über den Kopf. Sie haben so viele Anlaufstellen für Hilfe, sie müssen nur wollen.
Seit einer Woche verteilen wir warme Kleidung an die Bedürftigen.
Hier aber in Nepal gibt es keine Arge, kein Jugendamt………….nichts.
Wer arm geboren wurde, bleibt es in der Regel. Es gibt viele NGOs, die Hilfe anbieten, aber die können bei weitem nicht alles abdecken. Der Staat verlässt sich auf die Hilfe aus dem Ausland und steckt, meiner Meinung nach, viel Gelder in die eigene Tasche.
Shriman und ich geraden immer wieder in Diskussionen, wenn es um diese Menschen geht.
Ehrlich gesagt, war ich Anfangs enttäuscht von ihm. Wie kann er nur zusehen, wenn 3 jährige betteln und mit nicht einmal einer Hose auf der Straße laufen. Wenn 7 jährige Klebstoff schnüffeln.
Du hast kein Herz, sage ich ihm immer wieder.
Seiner Meinung nach, sollen sie in die Schule gehen, sollen die Obdachlosen Männer und Frauen arbeiten. Ja und wie, frage ich ihn immer wieder? Es gibt hier keine Resozialisierung Programme
einem Behinderten geben die wenigsten eine Arbeit..
Und wenn ein kleines Kind Eltern hat, die sich prügeln, saufen und sich nicht im geringsten um ihre Kinder kümmern, wie soll es dann lernen was richtig und gut ist? Wenn ein kleines Mädchen, gerade mal 6 Jahre alt auf die Straße geschickt wird um zu betteln um die Sauferei seiner Eltern zu finanzieren, wie soll es so ein Kind schaffen normal zu leben?
Shriman, selbst kommt auch aus armen Verhältnissen. Er hat ein liebevolles Elternhaus und ist dort aufgewachsen ( in Ost Nepal) wo das Geld noch weniger ist, als in den Großstädten. Seine Eltern konnten ihm, obwohl sie es gern wollten, keine gute Schulbildung ermöglichen.
So verließ er als er sehr jung war sein Elternhaus, ohne das sie es wussten.
Er ging als sehr junger Bub nach Pokhara, da er mal in der Schule gehört hatte, dort ist eine Stadt, dort arbeiten die Menschen so ganz anders als auf seinem Dorf.
Schon früh wurde ihm bewusst, er will etwas machen aus seinem Leben und quasi nicht auf dem Dorf versauern.
Auch er hatte keine Unterkunft die erste Zeit als er ankam in Pokhara. Er hatte nichts weiter als seine Sachen auf dem Leib und etwas Kleingeld in der Tasche. So viel Kleingeld wie ihm sein Vater als Taschengeld ermöglichen konnte. Unterwegs nur mit seinem Traum, ein anderes, ein besseres Leben zu suchen. Die Welt sehen, von der so einiges gehört hatte in der Schule, arbeiten, Geld verdienen…………..ganz normaler Alltag für uns.
Die ersten Wochen war auch er auf der Straße unterwegs, auf der Suche nach einer Arbeit. Aber wer gibt einem 14 Jährigen schon einen Job?
Die Nächte durfte er in einem Kloster bei den dort ansässigen Mönchen verbringen, so musste er wenigstens nicht draußen schlafen. Manche Tage füllten seinen Bauch nur mit Wasser, der den Hunger übergehen sollte. Denn, so sagte er, eins hatte er von seinen Eltern gelernt…….nicht betteln, oder gar stehlen.
Er fand dann später eine Arbeit auf einer Baustelle, verdiente das erste mal in seinem Leben Geld, viel Geld für ihn.
Wie der Zufall es wollte sprach ihn eines Tages ein Trekking Guide an, ob er Lust hätte in den Bergen beim Trekking zu arbeiten. Trekking, was ist das? Nun ja, es ist wenn du Gepäck für reiche Weiße in den Bergen trägst.
So kam er zum Trekking.
Jener Mann der ihn ansprach, wurde für Jahre so was wie sein Mentor. Den besten Tipp der er ihm gab war, lerne Sprachen, lerne Englisch.
Von seinem ersten Porterlohn bezahlte er eine Sprachschule und lernte. Anfangs steckte er all seinen Lohn in seine Bildung, die ihm seine Eltern nicht ermöglichen konnten.
Heute spricht er, neben seinen Landessprachen noch Deutsch, Englisch, Hindi und Koreanisch.
Ich persönlich, habe den größten Respekt vor dem was er geschafft hat.
Das hält er mir vor, wenn mein Mitleid wieder mal allzu groß wird mit den Kindern der Straße hier.
Sie hätten genau die gleiche Chance wie er, sie müssen es nur begreifen lernen.
Irgendwie hat er Recht.
Nur nicht alle haben solch einen starken Charakter wie er.
Nur, ich sehe morgens oft, dass Mütter ihre kleinen Kinder an die Ecke setzen zum betteln. Ich sah auch oft das sie Schläge bekamen. Wie sollen es solche Kinder von allein schaffen?
Gestern gesehen am Ratna Park……..ein kleines bestimmt nicht mal 2 Jähriges Mädchen sass Mutterseelen allein am Straßenrand, eine Schüssel vor sich.
So viele Nepalesen gingen achtlos vorbei, viele sahen auch hin.
Ich machte Shriman darauf aufmerksam und sagte……..meinst du dieses kleine Mädchen weiß was es macht? Sie ist noch nicht mal 2 Jahre, soll sie arbeiten?
Sein Schulterzucken tat mir irgendwie weh.
Ich möchte shriman nicht als kalten Menschen darstellen, er ist Beispiel für viele hier.
Was willst du machen fragte er mich, willst du ihr die Schule bezahlen? Sie wird das Geld behalten und nicht hingehen.
Ja was will ich machen? Weiter zusehen?
Manisha, einer meiner liebsten Schützlinge, von ihr hatte ich das Gefühl sie kann es packen.
Sie ist etwa 10, ein nettes, aufgewecktes Mädchen. Wie der Zufall es einmal wollte trafen wir sie als wir beide in Boudha waren. Jetzt war Shriman dabei, er konnte für mich übersetzen und ich konnte mich endlich einmal länger mit ihr unterhalten.
Sicher bin ich mir nicht, aber ich glaube sie bekommt von der Vereinigung die Schule bezahlt, laut ihrer Aussage.
Ich sehe sie aber jeden Tag bei uns. Sie riecht nie nach Klebstoff, sie riecht nie nach Alkohol, sie versucht ihre Kleidung sauber zu halten und hat immer ihre 2 kleinen Geschwister im Schlepptau.
Shriman jedoch sagte…….sie ist Abends nach 7 Uhr auf der Straße, sie ist mit den Straßenkindern zusammen. Sie geht nicht heim, sie lebt hier.
Ich bat ihn eindringlich auf sie einzureden. An seinem Tonfall merkte ich, dass er ihr kräftig die Meinung sagte……..ihre Chance nicht zu versauen, heim zugehen, zu lernen, die Schule zu besuchen.
Sie ging und seit 2 tagen kommt sie nicht mehr zu uns.
Ich habe Hoffnung, Shriman hingegen meint…..sie geht wo anders hin, sie packt es nicht.
Rechts die Kleine ist Manisha
Ihr Ausländer kommt her, habt wenig Ahnung von unserem Leben hier und denkt, wenn ihr einige Zeit hier seit könnt ihr alles verändern. So läuft das nicht, ihr habt keine Ahnung.
Harte Worte die ich von ihm höre, Worte über die wir auch immer wieder streiten.
Aber vielleicht doch die Wahrheit?
Ich weiss, ich kann die Welt nicht ändern, schon gar nicht das Elend hier, aber wenn ich nicht wenigstens darüber nachdenken würde, wäre ich am falschen Platz.
Ich möchte auch Shriman nicht kritisieren, nur unsere unterschiedlichen Ansichten darstellen.
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